Mittwoch, 19. Februar 2014

Lobotomie der Neuzeit?! - Ein Erfahrungsbericht

Es war soweit. Meine nun mehr als drei Wochen anhaltende Erkältung zwang mich dazu, den Besuch der ansässigen HNO-Ärztin in Betracht zu ziehen. Ich versuchte mich zurückzuerinnern, wie der letzte Termin bei ihr vor ein paar Jahren verlaufen war, und geriet leicht ins Schaudern. Aber es nutzte ja nichts, die Nebenhöhlen krakeelten langsam gewaltig bei jeder Bewegung, ohne gefühlte 2,7 Liter Nasentropfen in jedem Nasenloch drohte mir der Erstickungstod. Und so konnte das ja nicht weitergehen.

Also: gedacht, getan und bei der HNO-Ärztin im Dorf angerufen. Super, offene Sprechstunde ohne Termine, also ab 16:00 „einfach“ hingehen. „Kommen Sie am besten ein bisschen eher“ riet mir die Sprechstundenhilfe. Na denn, 15:45 dort aufgeschlagen. Natürlich schon jemand vor mir da. Und 3 Minuten später noch etliche nach mir – Schwein gehabt, wenigstens als zweite dran.

Gegen 16:10 war ich dann an der Reihe. Die Ärztin, eine kleine, dickliche Frau älteren Semesters mit osteuropäischem Akzent, begrüßte mich kurz mit Handschlag und fragte nach meinen Beschwerden. Nach zwei Sätzen unterbrach sie meine Schilderungen, diktierte ihrer Arzthelferin, welche zwei Meter entfernt am Schreibtisch saß und mitschrieb, was ich gesagt hatte, und gab mir Anweisungen bezüglich der bevorstehenden Untersuchung wie folgt:

HNO: „Dann schauen wir mal.“ Nimmt eine Art umgekehrte Zange, mit der sie mir ein Nasenloch nach dem anderen auf Maya-Piercing-Größe dehnt und mit einer Pinzette jeweils einen Wattebausch in jedes Nasenloch stopft. „Ist sehr geweitet.“

Ich denke mir: „Kein Wunder!“

HNO: „Zunge raus!“

Ich *zunge raus streck*

HNO fasst mit einem Papiertuch meine Zunge, zieht in gepflegter Hannibal Lecter –Manier bis zum Anschlag raus, dass das Zungenbändchen auf seine härteste Probe gestellt wird, piekst mit einem Stäbchen an den Rachen…

Ich *würg*

HNO: und sagt: „Jetzt machen sie mal „iiiiiiiiiiiihhhhhh“!“

Ich *entsetzt, würgend*: „Nein! Das mag ich nicht!!“

HNO: „Jetzt hören Sie mal! Ich bin die Ärztin und sage, was zu tun ist! Also Zunge raus!“

Ich: *grummel*

HNO: Diktiert ihrer Helferin. „Jetzt die Ohren.“ Roppt an einem Ohr rum, dann am andren. „Da kann ich nix sehen, das müssen wir spülen. Halten Sie das mal!“

Ich: Halte irritiert eine Art Schüssel ans rechte Ohr.

HNO: „Mund weit auf!!“ Schießt mir mit einem Wasserstrahl ins Ohr, mit dem man den Kölner Dom auf Alpinaweiß hätte säubern können, dass es mir auf der andren Seite wieder rauskommt. „Kopf zur Seite!“

Ich: tue wie geheißen…

HNO: schaut in das geflutete Ohr. „Ja geht noch, aber man sieht schon, dass es ankommt.“

Ich denke mir: „Stimmt, kommt mir buchstäblich zu den Ohren raus“ und muss innerlich schmunzeln, obwohl es grade alles andere als zum Lachen ist und mir schon etwas bang vor dem ist, was noch kommt, wie mein Vater sagen würde.

HNO: „Ich muss nen Ultraschall machen.“ Fummelt am Gerät neben mir und drückt mir das Ultraschalldings mit Gel rechts und links unter die Augen. „Ja, ist ziemlich entzündet, das muss ich wegsaugen.“

Ich *entsetzt* denke mir : „Wie bitte? Die meint nicht das Wegsaugen, was ich mit Grauen während meines Praktikums beim Johanniter-Krankentransport mit ansehen musste und das mich wohl letztendlich auch davon abgehalten hat, über ein Medizinstudium nachzudenken? O.O Doch… offensichtlich schon.“

HNO fummelt einen langen, sehr dünnen, spitzen Stab, den nose hoover, zurecht. „Stillhalten!“ Piekst mit dem Nasenstaubsauger in meine Nase und stochert darin rum, als gäbe es Öl zu finden.

Ich sitze verkrampft auf dem Stuhl, denn es tut scheiße weh. Zucke unwillkürlich weg, als es sich anfühlt, als wollte sie an mir eine neuzeitliche Form der Lobotomie durch die Nase durchführen.

HNO: „Nicht wegzucken!! Ich kann so schnell nicht rausziehen und dann kann ich Sie ernsthaft verletzen!“

Ich denke: „Noch ernsthafter?! OMG O.O“

HNO stochert weiter rum: „Ja das ist unangenehm, das mag keiner. Aber das muss sein!“

Ich versuche mich abzulenken und an die Szene in der unendlichen Geschichte zu denken, in der Atreju von Fuchur gerettet worden ist, die kleine Gnomin dem Glücksdrachen schmerzhaft in den Rücken sticht und dies mit „Das muss weh tun, damit es heilen kann!“ kommentiert. Dabei versuche ich nicht wegzuzucken, um den Schaden zu begrenzen, aber scheiße Gott verdammt tut das weh alter Verwalter, hat die eigentlich noch andre Hobbies außer Patienten massakrieren?!

HNO: „Ok. Dann bekommen Sie jetzt noch Bestrahlung und dann inhalieren. Morgen kommen Sie ganz früh wieder, dann muss ich das nochmal machen!“

Ich denke: „Ach du scheiße nein Herr im Himmel hab Erbarmen… Warum muss ich das noch ein zweites Mal über mich ergehen lassen?!“ und sage: „Ok!“ während ich mir die Tränen wegwische, die mir unweigerlich während der schmerzhaften Lobotomie gekommen sind.

Was danach geschah, kann ich nicht genau sagen. Irgendwann saß ich zu Hause am Küchentisch mit einem gekühlten Cappuccino (von dem ich geschmacklich aber nichts mitbekommen hab, weil Nase tot), mit gläsernem Blick, die Arme um die Knie geschlungen, in meinem eigenen inneren Takt Vor- und Zurückwippend….

Naja ok, zugegeben soooo krass jetzt nicht. Aber so fühlte es sich an. Also was bleibt mir anderes übrig, als die ganze Prozedur noch min. einmal zu ertragen, wenn ich endlich wieder behaupten will, gesund zu sein. Ein Hoch auf die Landärzte, die noch Zeit für jeden Patienten haben und genau erklären, was sie da eigentlich machen.

Und somit gebe ich zum Abschluss mit großer Freude bekannt, dass Fr. Dr. HNO aus meinem Dorf mit dem heutigen Tage den unangefochtenen Platz 1 in meinem persönlichen Schreckens-Ärzte-Ranking einnimmt – Glückwunsch dazu. Sie konnte damit die vorige, langjährige Chartspitze, den Sportmediziner ein Kaff weiter, der durchgebrochene Finger seiner Patienten mit dem Kommentar „Das ist jetzt mal kurz unangenehm“ ohne Betäubung wieder einrenkt, sowie diverse Zähnärzte auf die hinteren Plätze verdrängen.

Nun sehen die Schreckens-Charts wie folgt aus:

No.1: Fr. Dr. HNO

No.2-8: Aus Gründen der Relation zu Platz 1 derzeit unbelegt, werden vergeben, sobald passende Anwärter gefunden werden.

No.9: Dr. Cox

No.10: Dr. Renk-den-Finger-ohne-Betäubung-ein

No.11ff: beliebige Zahnärzte

Oki, ich muss jetzt Schluss machen. Die Luft wird knapp, meine Nase verlangt nach 2-3 Liter Nasentropfen. Bis zum nächsten Mal! 

Eure Littit

1 Kommentar:

  1. Sehr cool geschrieben, meine Nase tat grade leicht weh. Hoffe, dass du in den letzten Jahren gesund geworden bist. :D

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